Brauchtum, traditionelle Rituale & Feste

Die elf Orte der Naturparkregion Reutte sind reich an Traditionen und lebendigem Brauchtum. Neben eindrucksvollen Landschaften und historischen Stätten prägen insbesondere immaterielle Kulturgüter die regionale Identität: Bräuche, traditionelle Rituale, gesellschaftliche Praktiken, Handwerk, Musik, Veranstaltungen und erzählte Geschichten werden mit Hingabe gepflegt und an die nächsten Generationen weitergegeben.

 

Diese kulturellen Schätze, teils sogar im österreichischen Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO gelistet, sind mehr als bloße Erinnerung an vergangene Zeiten – sie sind Ausdruck einer lebendigen Gemeinschaft, die stolz auf ihre Wurzeln ist und gleichzeitig in die Zukunft blickt.

 

Hier erfahren Sie mehr über die Vielfalt und den besonderen Reichtum dieses einzigartigen Kulturerbes.


Musau & Pinswang Hexverbrennen & Scheibenschießen

In Musau und Pinswang ist der Hexensonntag seit Jahrhunderten fester Bestandteil des Jahreskalenders. Immer am ersten Sonntag nach dem Aschermittwoch findet dabei traditionell das Hexverbrennen mit anschließendem Scheibenschießen statt. Dieser heidnische Brauch symbolisiert die Austreibung der Dämonen des Winters und reicht historisch vermutlich bis in die Keltenzeit zurück.

 

Schon im Herbst beginnen die Vorbereitungen, indem die Schulkinder sich zum samstäglichen "Scheibenholz" treffen um ausreichend Holz für den Scheiterhaufen zu sammeln. Aus Heu, Stroh und Lumpen wird dann die lebensgroße Hexenfigur erschaffen. Am Nachmittag des ersten Fastensonntags versammeln sich die Kinder schließlich um den „Hauptmann“ - den ältesten Pflichtschüler. Gemeinsam ziehen sie dann in einer Prozession mit der Hexe durch das Dorf zum „Scheibenbichl“. Dabei ertönt lautstark der Spruch:

 

„Vivat hoch! D’ Hex’ hat Durscht, will a lange, lange Wurscht!“.

 

Vor jedem Haus wird sie „tanzen gelassen“, und immer mehr Dorfbewohner, ausgerüstet mit langen Haselstöcken und Holzscheiben, schließen sich dem Zug an. 

 

Am Ziel angekommen wird die Hexe unter andächtigem Staunen auf einem großen Scheiterhaufen verbrannt. Sobald ein entsprechender Glutstock entstanden ist folgt das Scheibenschießen, bei dem die Holzscheiben auf die Haselstöcke gesteckt, angeglüht, und schließlich in weitem Bogen in die Nacht geschleudert werden. 

 

Das "Scheibenschlagen" in Pinswang und Musau ist seit 2015 im Österreichischen Verzeichnis als immaterielles UNESCO-Kulturerbe gelistet.

  • Wo: Pinswang (In Unterpinswang und Oberpinswang separat), Musau
  • Wann: 1. Sonntag nach dem Aschermittwoch („Hexasunntag“ in Pinswang bzw. „Funkesunntag“ in Musau)

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Weißenbach Scheibenschlagen

Auch in Weißenbach hat das Scheibenschlagen als Symbol der Winteraustreibung einen festen Platz im Jahreskreis – wenngleich sich das Brauchtum in Ablauf und Charakter deutlich von jenem in Musau und Pinswang unterscheidet. Während dort die Prozession mit der Hexenfigur und das gemeinschaftliche Ziehen zum Scheibenplatz einen wesentlichen Teil bildet, zeichnet sich das Weißenbacher Scheibenschlagen durch seine dezentrale, familiäre Struktur aus.

 

Gleich vier Feuerstellen gibt es im Dorf – Unterbach, Sommer, Moosberg und Knobl –, an denen jeweils eigene Gruppen zusammenkommen. Zwar sind es meist die Bewohnerinnen und Bewohner der jeweiligen Ortsteile, die sich an „ihrem“ Platz versammeln, doch es gibt keinerlei feste Regeln oder Einschränkungen: Jede und jeder ist willkommen – ganz gleich, an welchem Platz.

 

Der Brauch wird nicht von Vereinen oder offiziellen Organisationen getragen, sondern lebt vom Engagement einzelner Familien und Personen, die die Verantwortung für ihren Platz übernehmen – meist schon seit Generationen. Die Weitergabe dieses Wissens und der Begeisterung an die Kinder ist ein zentrales Element für das Fortbestehen des Brauchs. Alle zwei bis drei Jahre wird gemeinsam Holz vorbereitet, jährlich werden die Plätze mit Bänken und den traditionellen Abschlagböcken instand gesetzt.

 

An drei Abenden – dem ersten Fastensonntag, dem darauffolgenden Dienstag und Donnerstag – lodern in Weißenbach die Feuer. An den ersten beiden Tagen versammelt man sich gegen 17 Uhr, um den Winter mit knisterndem Holz und glühenden Scheiben symbolisch zu vertreiben. Manche bringen nur eine Grillwurst mit, andere ihre Haselstöcke und liebevoll gefertigten Holzscheiben: rund geschnitten aus Hartholz oder im alten Stil „gehackte“ – also vierkantig zugerichtete Scheiben. In den Abendstunden werden diese glühend vom Feuer abgeschlagen und in weitem Bogen in die Nacht geschleudert. Am Donnerstagabend werden schließlich auf allen vier Plätzen auch Hexen verbrannt – ein gemeinschaftlicher Höhepunkt, jedoch ganz ohne offiziellen Rahmen. Kein festes Programm, kein vorgeschriebenes Ende. Mal dauert es länger, mal klingt der Abend früher aus. Im Mittelpunkt steht nicht die Inszenierung, sondern das gelebte Miteinander.

 

In Weißenbach versteht man das Scheibenschlagen als gelebten Brauch, der vor allem für die Dorfgemeinschaft da ist. Ohne große Bühne, aber mit umso mehr Verbundenheit wird die Tradition über Generationen hinweg weitergetragen.

  • Wo: Weißenbach (Unterbach, Sommer, Moosberg & Knobl)
  • Wann: 1. Sonntag nach dem Aschermittwoch, sowie am darauffolgenden Dienstag & Donnerstag

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Reutte, Höfen, Weißenbach Faschingstradition & -umzüge

Wenn sich der Winter dem Ende neigt, beginnt in der Naturparkregion Reutte die fünfte Jahreszeit – der Fasching. In Reutte, Höfen und Weißenbach lebt das närrische Brauchtum mit besonders farbenprächtigen und traditionsreichen Umzügen weiter.

 

Reutte – Unsinniger Donnerstag mit Tradition
Am Unsinnigen Donnerstag verwandelt sich Reutte in eine bunte Bühne für teilweise über 55 Gruppen, die mit fantasievollen Kostümen und kreativ gestalteten Wägen durch den Ort ziehen. Organisiert von der Faschingsgilde Reutte, lockt der Umzug jährlich Tausende Besucher an. Was einst als Stammtischidee begann, hat sich zu einem Fixpunkt im Veranstaltungskalender entwickelt. Die unkomplizierte Teilnahme für Fuß- und Wagengruppen macht den Umzug besonders zugänglich – ein närrisches Fest für Groß und Klein.

 

Höfen – Gungler, Flachsler und Scheller
Die Gunglertradition in Höfen reicht mehrere Jahrhunderte zurück. Am Faschingssonntag ziehen die „Gungler“ – traditionelle Gestalten mit Schellen, Ruten und kunstvoll geschnitzten Masken – lärmend durchs Dorf, um symbolisch den Winter auszutreiben und den Frühling willkommen zu heißen. Mit dabei: Scheller in schwarzen Gewändern, Flachsler mit raschelndem Flachs und die bunt gekleideten Gunkler. Der Umzug ist nicht nur ein Spektakel, sondern ein gelebtes Stück Höfener Identität.

 

Weißenbach – Die Zuderer
In Weißenbach wird der Fasching seit über 100 Jahren alle drei Jahre mit einem großen Umzug gefeiert, organisiert vom Verein „Zuderer“, benannt nach einem legendären Dorforiginal. Die Ursprünge des Vereins liegen in einer Stammtischrunde, die das Maschgern salonfähig machte. Heute führt ein prächtiger Umzug mit über 40 Gruppen durch das Dorf, angeführt von den „7 Schwaben“, Hexen und dem „Zuderer“ selbst – in einer Sänfte getragen. Das Zudererdenkmal am Dorfplatz erinnert das ganze Jahr über an diese außergewöhnliche Tradition.

 

Ob laut und ausgelassen oder tief in der Dorfgeschichte verwurzelt – der Fasching in der Naturparkregion Reutte ist Ausdruck lebendiger Kultur und Gemeinschaft.

  • Wo: Reutte, Höfen, Weißenbach

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Musau Bareigang

Der Bareigang, den es in Österreich ausschließlich in Musau gibt, findet traditionell am Rosenmontag statt und dient dazu, symbolisch die finsteren Mächte und bösen Geister des Winters zu vertreiben.

 

Kinder zwischen 6 und 14 Jahren ziehen mit bunten Spitzhüten, Hörnern und Säbeln lautstark von Haus zu Haus. Dabei sagen sie ihr Sprüchlein auf: „Früh abends“ (später „Spät abends“) „kommen wir in euer Haus und bitten um Bareien aus.“ Als Dank erhalten sie einen kleinen Geldbetrag. Der Hauptmann gibt Befehle wie „Habt acht!“, „Rechts um!“ und „Im Gleichschritt Marsch!“, gefolgt von der gemeinsam gerufenen Parole: „Hinaus in die Ferne mit sieba Fäßla Bier, drei hamm’r gsoffa, jetzt hamm’r bloß no vier. Vergelts Gott tausendmal!“ Seit 2025 dürfen erstmals auch Mädchen teilnehmen.

 

Der Bareigang stärkt als Brauch den Zusammenhalt der Gemeinde, prägt ihre kulturelle Identität und wird aktiv gelebt.

  • Wo: Nur in Musau (Einzigartig in Österreich)
  • Wann: Am Spätnachmittag des Rosenmontag


Mehrere Orte Aufstellen "Heiliger Gräber"

Das Aufstellen der Heiligen Gräber zu Ostern ist eine tief verwurzelte Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Sie geht auf die Zeit der Kreuzzüge zurück, als Pilger das Heilige Grab in Jerusalem besuchten und den Wunsch hegten, diese eindrucksvolle Erfahrung auch daheim erlebbar zu machen. In vielen Kirchen wurden deshalb detailreiche Nachbildungen des Grabes Christi geschaffen, die zur Karwoche und zu Ostern aufgebaut werden – als Ort des stillen Gedenkens, der Andacht und der Vorbereitung auf das Osterfest.

 

Auch in der Naturparkregion Reutte wird dieser Brauch seit Generationen gepflegt. In mehreren Pfarrkirchen der Region werden zu Ostern aufwendig gestaltete Heilige Gräber errichtet, die Besucherinnen und Besucher in ihrer symbolischen Darstellung tief berühren.

 

Diese Tradition ist nicht nur Ausdruck lebendigen Glaubens, sondern auch ein wichtiges Element des regionalen Kulturerbes und ein besonderes Beispiel gelebten immateriellen Kulturguts. Detaillierte Informationen zu den heiligen Gräbern in der Naturparkregion Reutte finden Sie im Blog-Beitrag "Heilige Gräber zur Osterzeit". 

  • Wo: In mehreren Pfarrkirchen der Region
  • Wann: Zu Ostern (Karwoche)


In allen Kirchengemeinden der Region Feierliche Prozessionen

Das Kirchenjahr ist in der Naturparkregion Reutte geprägt von einer lebendigen Prozessionstradition, die tief im Glauben und im Gemeinschaftsleben der Bevölkerung verankert ist. In nahezu allen Orten der Region werden zu Fronleichnam, zum Herz-Jesu-Fest sowie zu Erntedank feierliche Prozessionen abgehalten, an denen sich Jung und Alt mit großer Selbstverständlichkeit beteiligen.

 

Besonders festlich ist die Fronleichnamsprozession, bei der das Allerheiligste durch die Orte getragen wird – begleitet von Musik, Fahnen, Altären und dem Gebet der Gläubigen. Sie ist ein sichtbarer Ausdruck der Verehrung der Eucharistie und zählt zu den bedeutendsten katholischen Festen im Jahreskreis.

 

Die Herz-Jesu-Prozessionen, die aus dem historischen Herz-Jesu-Gelöbnis Tirols hervorgegangen sind, haben in vielen Gemeinden der Region ebenfalls einen festen Platz im Jahreslauf und spiegeln den tief verwurzelten Schutzglauben der Bevölkerung wider.

 

Auch das Erntedankfest wird vielerorts mit Prozessionen begangen – als Zeichen der Dankbarkeit für die Gaben des Jahres und der engen Verbindung zur Landwirtschaft. Ergänzend dazu richtet die Jungbauernschaft/Landjugend Bezirk Reutte alle drei Jahre einen überregionalen Bezirkserntedankumzug in Reutte aus. Die beteiligten Landjugend-Ortsgruppen gestalten dabei festliche Erntewagen und tragen das ländliche Brauchtum mit viel Engagement in die Öffentlichkeit. Begleitet wird der Umzug von weiteren Gruppen wie Musikkapellen und Traditionsvereinen.

 

Diese Prozessionen sind weit mehr als kirchliche Rituale – sie sind gelebte Heimat, geerbte Verantwortung und ein Zeichen dafür, wie stark Glaube, Natur und Gemeinschaft in dieser Region miteinander verbunden sind.

  • Wo: In allen Pfarreien der Region
  • Wann: Fronleichnam -> 60 Tage nach dem Ostersonntag, Herz-Jesu Prozession -> 2. Sonntag nach Fronleichnam/3. Sonntag nach Pfingsten, Erntedank -> je nach Gemeinde im Zeitraum von Mitte September bis Mitte Oktober

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Mehrere Orte Herz-Jesu-Feuer

Herz-Jesu-Feuer erinnern an den Tiroler Widerstand gegen die napoleonischen Truppen im Jahr 1796. Damals wurde vom Tiroler Landtag einstimmig beschlossen, das Land dem „Heiligsten Herzen Jesu“ anzuvertrauen und damit um göttlichen Beistand zu bitten. Dieser feierliche Schwur führte zu einer außergewöhnlichen Mobilisierung des Landsturms und letztlich zum Sieg über die französischen Truppen, wodurch der Herz-Jesu-Sonntag zum hohen Feiertag wurde. In weiterer Folge versprach man, das Herz-Jesu-Fest jährlich mit einem feierlichen Gottesdienst zu würdigen. Die Erneuerung des Gelöbnisses aus dem Jahr 1848 entwickelte sich im Laufe der Zeit vom religiösen Ritual zu einem lebendigen Brauch, der Ausdruck eines tief verwurzelten Kultur- und Geschichtsbewusstseins ist.

 

Heutzutage werden in Tirol am dritten Wochenende nach Pfingsten auf Berghängen kunstvolle Feuer in Form von Kreuzen, Herzen oder betenden Händen entzündet, um die Einheit und Verbundenheit des Landes symbolisch zum Ausdruck zu bringen. Auch in der Naturparkregion Reutte wird diese Tradition gepflegt. So entzünden Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren, der Bergrettung, der Jungbauernschaft oder sonstiger Vereine und Institutionen alljährlich bei Einbruch der Dämmerung Bergfeuer, um das Herz-Jesu-Gelöbnis zu erneuern und die Verbundenheit der Tiroler Gemeinschaft zu stärken.

 

Das Entzünden der Herz-Jesu-Feuer ist somit nicht nur ein beeindruckendes visuelles Erlebnis, sondern auch Ausdruck tief verwurzelter Tradition und Glaubensverbundenheit in Tirol.

  • Wo: Mehrere Orte
  • Wann: 3. Samstag/Sonntag nach Pfingsten

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Mehrere Orte Platzkonzerte

Die Platzkonzerte der Musikkapellen in der Naturparkregion Reutte sind ein fester Bestandteil des sommerlichen Dorflebens und ein beliebter Treffpunkt für Einheimische wie Gäste. Von Ende Juni bis August ertönen an vielen Abenden die Klänge der regionalen Kapellen – von der Bürgermusikkapelle Höfen und der Stadtmusikkapelle Vils (Dienstags) über die Harmoniemusik Lechaschau (Dienstags & Freitags im Wechsel), die Bundesmusikkapelle Ehenbichl und die Bürgermusikkapelle Weißenbach (Mittwochs) bis hin zur Musikkapelle Pflach, der Musikkapelle Pinswang, der Bürgermusikkapelle Reutte (Donnerstags) und der Musikkapelle Musau (Freitags).

 

In stimmungsvoller Atmosphäre verwandeln sich Dorfplätze in Bühnen, auf denen traditionelle Märsche, Polkas und moderne Stücke zu einem generationsübergreifenden Erlebnis verschmelzen. Die Konzerte laden zum Verweilen ein, fördern das Miteinander und machen musikalisches Brauchtum unmittelbar erlebbar.

 

Hinter diesen regelmäßigen Veranstaltungen steht weit mehr als reine Unterhaltung: Die Platzkonzerte sind Ausdruck einer lebendigen, tief verwurzelten Blasmusiktradition, die von den örtlichen Kapellen mit großem ehrenamtlichem Engagement gepflegt und weitergegeben wird. Sie repräsentieren das immaterielle Kulturerbe der Region und stärken durch ihre regelmäßige Präsenz das kulturelle Selbstverständnis der Gemeinden. Für die lokale Bevölkerung sind sie identitätsstiftend, für Urlaubsgäste ein authentischer Einblick in das gelebte Brauchtum des Alpenraums.

 

Als verbindendes Element zwischen Musik, Tradition und sozialem Leben prägen die Platzkonzerte das kulturelle Gesicht der Naturparkregion Reutte – Jahr für Jahr aufs Neue.

Termine & Weiterführende Links:


Höfen & Vils Almabtriebe & Schafschied

Wenn der Herbst ins Land zieht, beginnt im Tiroler Alpenraum eine der bedeutendsten Zeiten im bäuerlichen Jahreslauf: Der Almabtrieb und die Schafschied markieren das Ende des Sommers auf der Alm und sind tief in der Kultur und dem Selbstverständnis der Region verwurzelt.

 

In der Naturparkregion Reutte kehren Kühe und Schafe, manchmal auch Ziegen und Pferde, von den hochgelegenen Weideflächen zurück ins Tal – begleitet von Hirten, Sennerinnen und oft auch den stolzen Bauernfamilien. Was einst eine stille, existenzielle Heimkehr war, ist heute ein farbenprächtiges Fest, das bäuerliche Dankbarkeit und handwerkliche Traditionspflege vereint. Besonders die kunstvoll geschmückten Kühe sind ein Symbol für eine unfallfreie Almzeit: Ihre Kränze aus Blumen, Bändern, Tannengrün und Spiegeln gelten als Schutz und Segenszeichen. Ähnlich eindrucksvoll verläuft die Schafschied – bei der mehrere hundert Schafe in ihre jeweiligen Herden zurücksortiert und anschließend geschoren werden. Beide Bräuche bringen nicht nur Ordnung ins bäuerliche Jahr, sondern auch Menschen zusammen: mit Musik, regionalen Spezialitäten, Trachten und einem starken Gefühl von Gemeinschaft.

 

Der Almabtrieb und die Schafschied sind lebendige Zeugnisse einer Jahrhunderte alten Lebensweise und spiegeln die tiefe Verbundenheit der Tiroler Bevölkerung mit ihrer Natur, ihrer Landwirtschaft und ihren Wurzeln wider. Als feste Bestandteile des immateriellen Kulturerbes sind sie weit mehr als touristische Attraktionen – sie sind Ausdruck gelebter Tradition.

  • Wo: Höfen, Vils
  • Wann: Anfang September

In allen Orten der Region Nikolaus & Krampus - Hausbesuche und Umzüge

In der Naturparkregion Reutte ist der Brauch rund um den Nikolaustag tief verwurzelt. Alljährlich zieht der Heilige Nikolaus als gütiger Bischof durch die Dörfer, besucht Familien, Kindergärten und Schulen und tritt bei öffentlichen Veranstaltungen auf. Im Bischofsgewand, mit Mitra, Stab und goldenem Buch, lobt er die Kinder für gutes Verhalten, fordert Gedichte oder Gebete ein und verteilt kleine Gaben wie Nüsse, Mandarinen und Süßigkeiten. Begleitet wird er von Engeln, die für Licht und Hoffnung stehen – und von furchteinflößenden Krampussen, die mit zotteligen Fellen, lauten Glocken und kunstvoll geschnitzten Holzmasken auftreten. Die Krampusse verkörpern das Wilde, Ungezähmte, und sollen unartige Kinder symbolisch erschrecken oder tadeln.

 

In Tirol – und besonders im Außerfern – ist diese Tradition stark ausgeprägt. Viele Krampusgruppen  und - vereine pflegen das Brauchtum mit großem Aufwand. Ein besonders eindrucksvolles Zeugnis dieser Tradition ist der große Krampusumzug in Reutte, der zu einem der größten im weiteren Umkreis zählt. Über 40 Gruppen mit insgesamt weit über 800 Krampussen nehmen daran teil. Der Umzug ist weit über die Regionsgrenzen hinaus bekannt und lockt jedes Jahr bis zu 15.000 Zuschauer nach Reutte. Auch in Lechaschau wird der Brauch öffentlich gefeiert – dort findet alljährlich ein traditioneller, großer Nikolaus-Einzug statt, der Jung und Alt begeistert.

 

Neben den öffentlichen Umzügen bleibt aber auch der Besuch des Nikolaus im privaten Rahmen lebendig. In Kindergärten und Schulen wird die Tradition in kindgerechter Form gepflegt: Der Nikolaus lobt gutes Verhalten und verteilt kleine Gaben, während die Begleitfiguren – meist in entschärfter Form – zurückhaltender auftreten. Oft übernimmt hier der Knecht Ruprecht die mahnende Rolle von den Krampussen, um die jüngsten Kinder nicht zu verschrecken.

 

Der Brauch rund um den Besuch von Nikolaus und Krampus vereint christliche Werte mit alpenländischer Mythologie und ist bis heute ein fester Bestandteil des regionalen Winterbrauchtums.

 

  • Wo: Hausbesuche in allen Gemeinden, Große Umzüge in Reutte (Krampusumzug) und in Lechaschau (Nikolo Einzug)
  • Wann: Nikolaus-Hausbesuche rund um den 5./6. Dezember, der Reuttener Krampusumzug findet am vorausgehenden Wochenende statt

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In der gesamten Region Krippenbau & "Krippele schaugn"

In der Naturparkregion Reutte hat das Krippenbauen eine lange und lebendige Tradition. Viele Familien besitzen wahre Meisterwerke, die oft über Generationen weitergegeben und behutsam adaptiert werden. Die Krippen werden mit viel Liebe zum Detail gefertigt und jedes Jahr zur Weihnachtszeit in den regionalen Wohnzimmern aufgestellt. Dabei entstehen vielfältige Kleinode unterschiedlichster Größe – von der kleinen Laternenkrippe bis hin zur raumfüllenden Krippenlandschaft. Die Darstellungen variieren von detailreichen orientalischen Szenen bis hin zu heimatlichen Motiven, die einen starken Bezug zur lokalen Umgebung aufweisen. Das handwerkliche Geschick, insbesondere bei der Gestaltung der Krippenfiguren, die durch ihre bemerkenswerte Ausdruckskraft und Detailgenauigkeit beeindrucken, stellt dabei eine hohe Kunst dar. Besonders hervorzuheben ist hier der Vilser Holzschnitzer Norbert Roth, dessen frühe, realistische Krippenfiguren den Grundstock für zahlreiche – möglicherweise sogar hunderte – Regionale Krippen bilden. Mit seinem Schaffen erlangte Roth Beachtung weit über die Region hinaus und trug maßgeblich zur hohen Qualität der lokalen Krippenbaukunst bei. Heute organisieren sich die Krippenbauer häufig in Krippenvereinen, um sich gegenseitig zu unterstützen, ihr Wissen auszutauschen und die Kunst des Krippenbaus an nachfolgende Generationen weiterzugeben. In diesen Vereinen werden zusätzlich vielfältige Kurse angeboten, beispielsweise zur Hintergrundmalerei, zu botanischen Details oder zur Bekleidung der Figuren.

 

Das Krippenbauen ist somit nicht nur ein Hobby, sondern ein bedeutender Bestandteil der regionalen Kultur, der mit Stolz gepflegt und ständig weiterentwickelt wird.

 

Untrennbar mit der Kunst des Krippenbauens verbunden ist auch das „Krippele schaugn“ – kurz einfach „Krippele“ genannt. Dieser lebendige Brauch wird zwischen Weihnachten und Lichtmess in der gesamten Naturparkregion Reutte gepflegt. In dieser Zeit besuchen die Menschen die liebevoll und aufwendig gestalteten Weihnachtskrippen bei Nachbarn, Freunden und bekannten Krippenbauern. Mancherorts werden dafür sogar eigene „Krippentage“ veranstaltet, die ähnlich einem Tag der offenen Tür ablaufen: Die Bewohner öffnen zu festgelegten Zeiten ihre Häuser und empfangen interessierte „Krippeler“, präsentieren stolz ihre Meisterwerke und beantworten gerne Fragen dazu. Beim „Krippele schaugn“ wird vom Hausherrn oft Schnaps serviert, was das gesellige Miteinander zusätzlich unterstreicht.

 

Traditionell sind die Krippen übrigens erst nach dem Fest der Heiligen Drei Könige vollständig, da die Figuren der Könige erst zu diesem Zeitpunkt ihren festen Platz in der Szenerie einnehmen.

 

Die Tradition des „Krippele schaugns“ verbindet Menschen miteinander, lässt sie gemeinsam in eine besondere weihnachtliche Atmosphäre eintauchen und trägt wesentlich dazu bei, das kulturelle Erbe des Krippenbaus in der Region lebendig zu halten. Seit 2021 ist der "Krippenbrauch" als immaterielles UNESCO-Kulturerbe im österreichischen Verzeichnis gelistet.

  • Wo: In der gesamten Region
  • Wann: Krippenbau ganzjährig, "Krippele schaugn" zwischen Weihnachten und Lichtmess (2. Februar) - Vorzugsweise Mitte/Ende Jänner

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Pinswang Hollaschreien

Alljährlich am 28. Dezember, dem Tag der unschuldigen Kinder, herrscht in Pinswang schon um fünf Uhr früh rege Betriebsamkeit: Die Hollabuben, angeführt von den ältesten Schülern, versammeln sich im Dunkeln auf dem Dorfplatz. Ausgerüstet mit Weidenrute, Bockhorn und Gelddosen ziehen sie lautstark von Haus zu Haus und wecken die Bewohner mit dem traditionellen Ruf „Holla, Holla, Bierezelte, siaß oder sau'r, raus mit'm Baur!“ (in Unterpinswang) bzw. „Holla, Holla, Bierezelte hea, sei a siaß oder reaß!“ (in Oberpinswang). Nach und nach gehen in den Häusern die Lichter an, und die Buben erhalten das begehrte Hollageld. Verweigerer werden sanft, aber bestimmt mit Ruten an der Tür geweckt. Zum Morgengrauen endet der Brauch, der an die unschuldigen Kinder von Bethlehem erinnert, mit einem Besuch der Heiligen Messe.

 

Ein Brauchtum, das tief verwurzelt ist und jedes Jahr aufs Neue begeistert. Seit dem Jahr 2023 ist dieser uralte Brauch nicht mehr nur den Buben vorbehalten und es dürfen auch die Schulmädchen am Hollaschreien teilnehmen.

  • Wo: Pinswang
  • Wann: 28. Dezember („Tag der unschuldigen Kinder")